Serie von Bombendrohungen: Nahost-Drohschreiben offenbar von Cyberkriminellen
(Video: MDR Aktuell am 20. November 2023)
In jedem palästinensischen und arabischen Gebäude werde man Bomben platzieren, heißt es in einem Drohschreiben auf Englisch. Man habe Sprengstoff im Wert von etwa 20 Millionen Euro.
Diese E-Mail liegt dem ARD-Politikmagazin Kontraste und dem „Spiegel“ vor. Am vergangenen Samstag ging sie um 20.06 Uhr bei der Palästinensischen Mission in Berlin ein. Sie steht am Anfang einer Serie von Bombendrohungen, die seither bundesweit Verunsicherung erzeugt. Eine Vielzahl von Schulen, bei denen ähnliche Schreiben eingegangen sind, wurden evakuiert.
Neben öffentlichen Einrichtungen und ausländischen Botschaften waren auch die Parteizentrale der SPD und eine ganze Reihe von Medien betroffen, darunter ARD-aktuell in Hamburg und der Hauptsitz des ZDF in Mainz. 600 Mitarbeitende mussten am Montag das Gebäude verlassen, das laufende Fernsehprogramm wurde unterbrochen.
Offenbar kein politisches Motiv
Die Verfasser der E-Mails gaben sich wahlweise als pro-israelische Terroristen oder als Anhänger der palästinensischen Terrororganisation Hamas aus. Nach Recherchen von Kontraste und „Spiegel“ verfolgen sie aber wohl keine politischen Ziele, sondern wollten mit den Drohungen Angst verbreiten und Aufmerksamkeit erzeugen. Bei den Verfassern handelt es sich offenbar um eine Gruppe von Männern aus Deutschland, die schon in der Vergangenheit im Bereich der Cyberkriminalität aufgefallen sind.
Die Internettrolle sollen unter anderem falsche Notrufe abgesetzt haben, mit denen sie bei ihren Opfern Polizei- und Feuerwehreinsätze auslösten. Kontraste und „Spiegel“ liegen Hinweise darauf vor, wonach die Gruppe hierfür die Notruf-App „Nora“ eingesetzt haben könnte. Mit der App war es möglich, direkt über das Smartphone Notrufe an Polizei und Feuer abzusetzen. Zuständig für die App ist das nordrhein-westfälische Innenministerium. Nach etlichen missbräuchlichen Notrufen ließ es seine Software im September aus den App-Stores nehmen. Unter den Betroffenen waren damals Politiker und Prominente.
Drohungen auf Hebräisch und Arabisch
Mit der Serie von Bombendrohungen nimmt die Gruppe nun offenkundig in Kauf, den Krieg in Nahost weiter zu befeuern – wie im Fall der E-Mail vermeintlicher Israel-Unterstützer an die Palästinensische Mission. „Es ist uns egal, wenn Kinder oder Frauen sterben, solange wir diesen Krieg gewinnen“, behaupten die Verfasser des Schreibens. Ein Teil dieser und weiterer Droh-E-Mails ist auf Hebräisch verfasst. Spätestens seit Sonntag kursieren auch Schreiben vermeintlicher Hamas-Anhänger auf Deutsch und Englisch sowie mit Passagen in schlechtem Arabisch.
Kontraste und „Spiegel“ liegen zahlreiche E-Mails aus dieser Serie vor. Verschickt wurden sie den Recherchen zufolge mithilfe von Wegwerf-Adressen bei unterschiedlichen E-Mail-Anbietern. Bei den Absendern gibt es Überschneidungen, genauso beim Inhalt: Häufig ähneln sich Formulierungen frappierend, mitunter sind ganze Passagen identisch. „Wir freuen uns, Ihnen anzukündigen, dass wir Ihr Gebäude bombardieren werden“, heißt es etwa – und immer wieder: „Fuck Germany!“ Die Drohungen enden wiederholt mit der Formulierung „blutige Grüße“.
Aktion von Trittbrettfahrern
Nach Informationen von Kontraste und „Spiegel“ befasst sich die Berliner Polizei unter anderem mit Droh-E-Mails an die SPD, an die algerische Botschaft und an die Palästinensische Mission. Wie es aus Ermittlerkreisen heißt, hält sie die Schreiben für eine Aktion von Trittbrettfahrern. Sie ermittelt wegen der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten.
Zuständig für die jeweiligen Ermittlungen sind bislang die Polizeien der einzelnen Bundesländer, obwohl den Recherchen zufolge vieles darauf hindeutet, dass für die bundesweite Serie eine zentrale Gruppe verantwortlich ist. Auch Sicherheitsbehörden sollen einem solchen Verdacht nachgehen.